Biografie
  Werkverzeichnis     Termine     Orgelwettbewerb     Nachrichten     Diskografie     Bibliografie     Gesellschaft  
1904 bis 1945
1946 bis 1961
Dokumente
1962 bis 1984
Who's who
Allgemein:
Startseite
Kontakt
Impressum
Datenschutzerklärung

Erinnerungen von Tiny Wirtz


Tiny Wirtz, Meine Erinnerungen an Hermann Schroeder, erschienen in: Mitteilungen der Hermann-Schroeder-Gesellschaft, Heft 4, 2005, S. 4-13
------------------------------------

Hermann Schroeder wurde am 26. März 1904 in Bernkastel-Kues an der Mosel geboren und starb am 7. Oktober 1984 in Bad Orb. Die große Teilnahme vieler Kollegen, Freunde, ehemaliger Studenten, Vertreter der Medien und der breiten Öffentlichkeit beim Requiem im gut gefüllten Kölner Dom zeugten von der hohen Wertschätzung und Anerkennung, die Hermann Schroeder genoss. Generationen von Studenten der Kölner Musikhochschule war er ein kompetenter, engagierter, sachkundiger Vermittler von Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition, als Leiter des von ihm gegründeten "Madrigalchores" der Musikhochschule ebenso geschätzt wie beliebt. Als praktizierender Musiker war er nicht nur ein kenntnisreicher Chor- und Orchesterdirigent, sondern vor allem ein hervorragender Organist. Aus der Praxis kommend und schöpfend, an der Praxis orientiert, sind seine zahlreichen Kompositionen, die er für fast alle Gattungen schrieb, ein Zeugnis für seinen musikantischen Stil, der zunächst an Hindemith orientiert, sich zu höchst eigenständiger Aussage entwickelte. Sein kompositorisches Handwerk lernte er bei Prof. Heinrich Lemacher, der später auch der Lehrer von Bernd Alois Zimmermann werden sollte.

Meine persönliche Bekanntschaft mit Hermann Schroeder machte ich am 4. Mai 1947. In meinem Eintragungsbuch steht unter diesem Datum in der Handschrift Schroeders:

"Plötzlicher Besuch:
Komponist mit Musterköfferchen".
Inhalt: 4 Klavierstücke – noch ungetauft.
Hermann Schroeder + angetraute Ehegattin.

Dieser Besuch fand in meinem Elternhaus in Horrem bei Köln statt. Ich erinnere mich, dass ich damals das Ehepaar, vor allem ihn, als sehr fröhlich, unkompliziert und natürlich empfand. Das Manuskript dieser "4 Klavierstücke" besitze ich noch. Es wird mit vielen anderen Manuskripten und meinen sämtlichen Unterlagen in das 1998 auf meinen Namen eröffnete Archiv bei "Stiftung Archiv der Akademie der Künste" Berlin der Forschung zur Verfügung stehen.
Eine weitere damalige Beziehung zu Hermann Schroeder stellte ich ebenfalls in meinem Eintragungsbuch fest. Dazu ist folgende Erläuterung nötig: Ich war seit Mai 1946 Studentin im 1. Semester der neu eröffneten Kölner Musikhochschule in der Meisterklasse meines langjährigen Lehrers, jetzt neuernannten Prof. Hans Anwander und hatte bereits im Januar 1946 unter der Leitung von Günter Wand als Solistin im Rahmen der Gürzenich-Konzerte ein Klavierkonzert gespielt. Daraufhin konzertierte ich mit vielen Orchestern und mit Solo-Abenden und man hängte mir wegen meines Einsatzes für die damalige zeitgenössische Musik schnell das Mäntelchen "Interpretin für neue Musik" um, zumal ich am 11.4.1946 einen Soloabend im Hörsaal IV der Universität Köln mit Werken damaliger zeitgenössischer Komponisten als "Werbekonzert" für neue Musik gegeben hatte. In eben diesem Eintragungsbuch finde ich von mir ein Konzertprogramm der "Trierer Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst" vom 8. März 1947 im großen Saal der Treveris mit Werken von Bach, Mozart, Prokofieff, Skrjabin, Chopin und der 3. Klaviersonate von Paul Hindemith.
Als Fußnote die Ankündigung: 31. März 1947, Orgelkonzert in der Paulinuskirche. Orgel: Hermann Schroeder.

Ich nehme an, dass mir Hermann Schroeder, dem ich damals ja noch nicht begegnet war, auf Empfehlung von Heinrich Lemacher - der nicht nur der Lehrer sondern auch ein Förderer Schroeders war und dem auch ich viel zu verdanken habe - dieses Engagement in Trier verschafft hatte, das dann wiederum die Ursache seines Besuches bei mir zuhause war.
Zurückkommend auf die Eintragung "Komponist mit Musterköfferchen" ist festzustellen, dass Schroeder mit großem Humor und mit selbstkritischer Distanz sein kompositorisches Tun betrachtete. Er nahm sich selbst nicht so wichtig. Komponieren war für ihn eine Selbstverständlichkeit. So überließ er es mir, wie ich das Stück am 14. Oktober 1947 in einem "Studio-Abend neuer Klaviermusik" der Künstlergruppe "Die Werkstatt" in der Hochschule für Musik Köln, Oberländer Ufer, als Uraufführung der nun so genannten Sonate in a-Moll spielte. Dass ich meine Sache gut machte, war für ihn eben selbstverständlich. (Bis Ende der 50er Jahre habe ich diese Sonate in vielen Soloabenden in Deutschland, Belgien und der Schweiz als zeitgenössisches Stück gespielt und auch bei verschiedenen Rundfunkanstalten aufgenommen. Sie erschien 1952 im Verlag Schott.)

Hermann Schroeder war kein Mann der großen Worte. Ich erinnere mich nicht, dass er sich jemals geäußert hat, ob er mit meinem Spiel zufrieden war, oder ob ihm meine Interpretationen gefallen hatte. Ich habe ihn allerdings auch nie danach gefragt. Aber die Tatsache, dass er mir in den folgenden Jahren noch zwei weitere Kompositionen zur Uraufführung anvertraute: sein Klavierkonzert op. 35 und das Trio für Klarinette, Cello und Klavier, dessen Uraufführung mit Franz Klein (Klarinette) und Alwin Bauer (Cello) am 30.11.1967 in der Kölner Musikhochschule stattfand, lässt darauf schließen, dass er es war.

Nicht nur als Chordirigent war Hermann Schroeder geschätzt, auch als Leiter des Orchesters des "Kölner Bachvereins" hatte er einen Namen. Ich selbst erlebte ihn mehrmals als Orchesterdirigenten: Unter seiner Stabführung spielte ich am 27.2.1958 im Rahmen der Städtischen Sinfoniekonzerte Düren mit dem Kölner Gürzenich-Orchester das c-Moll- Klavierkonzert op. 37 von Beethoven, am 29.5.1959 in einem Konzert des Kölner Bachvereins im Kölner Gürzenich das "Concerto da Camera" op. 16 für Klavier und Streichorchester des Schweizer Komponisten Julien Francois Zbinden und am 22.1.1964 haben wir gemeinsam mit dem Südwestfunk-Orchester des Landesstudio Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern Schroeders Klavierkonzert op. 35 aus der Taufe gehoben.
Diese Aufnahme unterscheidet sich von der einige Jahre später von mir mit dem Kölner Rundfunksinfonieorchester unter der Leitung des Dortmunder GMD Wilhelm Schüchter eingespielten Aufnahme durch schnellere und temperamentvollere Tempi. Sie ist somit auch ein Dokument von Schroeders Arbeits- und Musizierweise. (Damals wurden übrigens für Probe und Aufnahme eines so schwierigen Stückes nur 3 Stunden konzidiert!)
In der Probe mit dem Orchester gab Schroeder - nach einem kurzen Moment des Nachdenkens, bei dem er meistens die Stirn runzelte - in seiner staccatoartigen Sprechweise knappe Anweisungen im Telegrammstil. Auf Diskussionen ließ er sich nicht ein, dann konnte er lospoltern, denn er war ein Praktiker, der wusste, worauf es ankam. Sein Musizieren war stets objektiv und distanziert.

Sachlich war Schroeder auch in seinen Gesprächen. Zwar konnte er sich ereifern und redete dann sehr schnell, aber bald wurde er auch wieder ruhig. Seine schlanke Gestalt, seine Behendigkeit und sein aufscheinendes verschmitztes Lächeln ließen ihn bis ins hohe Alter jung erscheinen. Meine letzte Begegnung nach vielen Jahren des Nicht-Sehens fand wenige Monate vor seinem unerwartetem Tod eines Morgens gegen 8.30 Uhr in der Kölner Straßenbahn auf dem Weg zum Hauptbahnhof statt. Beim Einsteigen sah ich Schroeder sitzen, ging zu ihm, erstaunt, ihn zu dieser frühen Zeit schon unterwegs zu sehen. Er erzählte mir gutgelaunt, dass er alle zwei Wochen immer so früh zur Kirchenmusikschule nach Regensburg zum Unterrichten fährt. "Die Kölner Hochschule wollte mich ja nicht mehr. Da fahre ich eben nach Regensburg. Dort kann man mich noch gebrauchen", war seine kurze Erklärung. Er machte auf mich wie immer den Eindruck, voller Tatendrang zu sein. Wir verabschiedeten uns herzlich.

Ich selbst habe von Hermann Schroeder nie Unterricht erhalten, aber noch heute sprechen viele meiner damaligen Studenten mit großer Hochachtung, Respekt und Verehrung von ihm als ihrem Lehrer. Seine Chorsätze sind über Jahrzehnte lebendiges Musiziergut, seine Messen und Orgelwerke erklingen in Domen und Kirchen, seine gemeinsam mit Lemacher verfassten Lehrbücher über Harmonie-, Kontrapunkt- und Formenlehre sind Grundlage zur umfassenden Ausbildung junger Musiker. Seine Klavier- und Instrumentalwerke geben Musikern und musizierenden Laien die Möglichkeit nachzuvollziehen, dass es neben der avantgardistischen Musik auch noch andere gute zeitgenössische Musik gibt, die Spielfreude - und damit Lebensfreude - vermittelt.

Ihre Betrachtungen zu einzelnen Klavierwerken

Sonate a-Moll für Klavier (1946)

Klavierkonzert op. 35 (1955/56)

Drittes Klaviertrio op. 43 (1967)




H. Schroeder als Chordirigent